Stadtspaziergang
Wer die Kernstadt Neuruppins über den Ruppiner See in östlicher Richtung verlässt, findet am gegenüberliegenden Ufer linkerhand
den Ortsteil Gildenhall. Gegründet wird die Freiland-Siedlung vom Berliner Zimmer- und Baumeister Georg Heyer, der hierfür 1920
eine stillgelegte Ziegelei samt umliegendem Gelände am Ruppiner See aufkauft und ein Sägewerk, eine Zimmerei und Bautischlerei
sowie für sich selbst ein Wohnhaus errichtet.
Ab 1922 entsteht nach einem Bebauungsplan von Max Eckhard in der Blumenstraße eine Anlage, in der zwei parallele, jeweils unterbrochene
Reihenhauszeilen 1 mit großzügigem gemeinsamen Wohnhof
und kleinen Vorgärten. Würfelförmige Häuser mit Walmdächern, die den Meistern
vorbehalten waren, schließen die vier Zeilenkomplexe an ihren Enden ab. Ein freistehender Kopfbau, der 1925/26 nach den Plänen von
Adolf Meyer entsteht, bildet das nördliche Ende der Blumenstraße. Meyer, der nach der Schließung des Bauhauses in Weimar 1925 nach
Gildenhall kommt, setzt den Siedlungsbau mit zwei weiteren gegenüberliegenden Reihenhauszeilen südlich der beiden Fachwerk-Doppelhäuser
fort.
Sein markantester Bau in Gildenhall ist das 1925 geplante Ausstellungs- und Bürogebäude Hermsdorfer Weg 1 2 .
1926/27 erfolgt der Umbau des Gebäudes nach Plänen von Heinrich Westphal. Spätere Anbauten beeinträchtigen den Charakter des Gebäudes,
doch ist die sachlich-nüchterne Formensprache der Bauhausarchitektur noch deutlich erkennbar.
Ein weiterer Siedlungsabschnitt entsteht ab 1927 in der Gildenhaller Allee 3 .
Dort baut Heinrich Westphal weitere Siedlungshäuser für die Handwerkerschaft. Der Anspruch, hohes handwerkliches Niveau und serielle
Produktion miteinander zu vereinigen, lässt sich in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit nicht aufrechterhalten:
Die Rezession der Weltwirtschaftskrise setzt der ambitionierten Siedlungsutopie ein Ende. In Alt Ruppin baut Heinrich Westphal eine
Schule 4 , deren Formensprache ganz der Sachlichkeit der
Bauhaus-Moderne verpflichtet ist. Sie gilt als ein herausragendes Zeugnis für das Schaffen Heinrich Westphals und als Hauptwerk des
Neuen Bauens in der Region.
Ein Besuch in der Gildenhall-Ausstellung im Museum Neuruppin (Adresse und Öffnungszeiten siehe unten) 5
rundet den Spaziergang ab.