Luckenwalde
    Die erste Stadtverordnetenversammlung
    Demokratie und Diktatur
    Die Wende in Luckenwalde
    Daten & Fakten
    Zeitstrahl
    Karte

Demokratie und Diktatur

Pelikan-Apotheke-1925Gut 100 Jahre nach der ersten Wahl zur Stadtverordnetenversammlung hat sich die Einwohnerzahl Luckenwaldes von knapp 8?000 auf 23000 erhöht. Bei den Kommunalwahlen von 1911 sind 3905 Luckenwalder stimmberechtigt. Laut Dreiklassenwahlrecht gehören davon 79 Bürger zur 1. Klasse, 635 Bewohner zur 2. Klasse und 3191, vor allem Arbeiter, zur 3. Klasse. Obwohl jede Klasse die gleiche Anzahl von Stadtverordneten wählt, zählt die Stimme eines Wohlhabenden 40-mal mehr als die eines einfachen Arbeiters. 1919, nach Ende des Ersten Weltkrieges, der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik, werden die Attribute „frei und geheim“ um die Grundsätze „gleich und direkt“ ergänzt. Unabhängig von persönlichen Vermögensverhältnissen wählen seitdem alle Bürger mit gleichem Stimmrecht Parteien und deren Kandidaten. Nach dem Ersten Weltkrieg wirken in Luckenwalde aus der Mitte der Stadtverordnetenversammlung weitsichtige Kommunalpolitiker, Stadtplaner und Architekten. Durch eine sozial orientierte Gestaltung der Stadt, neuzeitliche Siedlungen, öffentliche Gebäude und fortschrittliche Industriearchitektur erhält Luckenwalde den Beinamen „Stadt der Moderne“. Und weil in den 14 Jahren der Weimarer Republik die SPD ununterbrochen die Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung besitzt, heißt es auch „Rotes Luckenwalde“.

Die Ära der Sozialdemokraten in Luckenwalde endet 1933. Sofort nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar beginnen die Nationalsozialisten ihre Machtansprüche rücksichtslos durchzusetzen. Am 22. März zwingen die Nazis den 1930 für zwölf Jahre zum Ersten Bürgermeister gewählten Juden und Sozialdemokraten Dr. Hermann Salomon, sein Amt niederzulegen. Alfred Lappe, bereits in den Zwanzigerjahren Stadtoberhaupt und dann unter Dr. Salomon Zweiter Bürgermeister, wird sein Nachfolger. Am 22. Juni verbietet Hitler die SPD, die im Berliner Reichstag als einzige Partei gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Andere Parteien, wie die katholische Zentrumspartei, lösen sich selbst auf, oder schließen sich, wie die Deutschnationale Volkspartei, der NSDAP an. Damit besteht das Abgeordnetenhaus nur noch aus Vertretern der NSDAP und tritt überhaupt nicht mehr zusammen. Die Nationalsozialisten beseitigen 125 Jahre nach der ersten Wahl zur Stadtverordnetenversammlung das kommunale Selbstbestimmungsrecht. Selbst die traditionsreiche Bezeichnung Bürgermeister verschwindet. Als 1938 W. Lange die Nachfolge von Alfred Lappe antritt, bezeichnet sich dieser von den Nazis berufene erste Mann der Stadt als „Leiter der Stadtgemeinde“.

Die Zwangspause des Abgeordnetenhauses endet nach dem Zweiten Weltkrieg am 19. September 1946 mit der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung. Von den 40 Sitzen erhält die aus dem Zusammenschluss von SPD und KPD hervorgegangene SED 23 Sitze, die CDU 9 Sitze und die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands 8 Sitze. Ein Jahr nach der Gründung der DDR finden am 15. Oktober 1950 die ersten Wahlen zur Volkskammer sowie Abstimmungen zu den Landtagen, Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen statt. Die Verteilung der Sitze in den verschiedenen Parlamenten wird dabei schon vor der Wahl festgelegt. Die SED beansprucht mindestens 40 Prozent der Sitze. Die anderen Blockparteien CDU, LDP, NDPD und DBD sollen je 5 bis 10 Prozent der Mandate erhalten. Alle übrigen Sitze sind Massenorganisationen, wie den Gewerkschaften, dem Frauenbund, der FDJ, der Volkssolidarität, dem Kulturbund, dem Konsum oder der Bauernorganisation VdgB, vorbehalten. Da diese Mandatsträger fast ausschließlich Genossen der SED nominieren, ist die Stimmenmehrheit der Staatspartei vorprogrammiert. Offiziellen Mitteilungen zufolge beträgt die Zustimmung zur Einheitsliste bei dieser ersten Wahl 99,7 Prozent.

Startseite Kontakt Impressum Druckversion Archiv_2004 Archiv_2005 Archiv_2006 Archiv_2007 Archiv_2008