Jüterbog
    Eine Revolution mit wenig Blutvergießen
    Erster Weltkrieges - Weimarer Republik
    Jüterbog und die friedliche Revolution
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Jüterbog und die friedliche Revolution

Jugendforum-am-31.-Oktober-1989Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges führt die Stationierung sowjetischer Streitkräfte die militärische Tradition Jüterbogs fort. Als Michail Gorbatschow die UdSSR ab Mitte der Achtzigerjahre vorsichtig modernisiert, werden im Mai 1989 erste Truppen aus Jüterbog abgezogen. Die Regierung der DDR ignoriert im Übrigen die sowjetische Politik der Öffnung und Demokratisierung. Systemkritiker sind auch weiterhin politische Gegner und die SED-Führung veranlasst die Fälschung der Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989. Diese Entwicklungen führen einerseits zur politischen Mobilmachung großer Bevölkerungsteile und andererseits zu einer starken Zunahme ausreisewilliger Bürgerinnen und Bürger.

Obwohl es im Herbst 1989 von der SED-Kreisleitung Verfügungen gibt – etwa nicht von einer „Wende“ zu sprechen, sondern von einer „Erneuerung bei vernünftiger Kontinuität“–, sind die Ereignisse in Jüterbog nicht mehr vollständig unter Kontrolle der Machthaber. Nach Protesten gegen den Wahlbetrug im Mai und einem kleineren Demonstrationszug am Vorabend zum Sitz der Kreisverwaltung findet am 31. Oktober 1989 auf Drängen von Vertretern der Kirche ein Jugendforum auf dem Marktplatz statt. Bei der Veranstaltung stellen sich verschiedene Ratsvertreter den Fragen und Vorwürfen von rund 2000 Bürgern aller Altersgruppen.

Kurze Zeit später, am 5. November, versammeln sich auf dem Ernst-Thälmann-Sportplatz 6500 Menschen zu der bis dahin größten Protestkundgebung in Jüterbog. Die Bürgerinnen und Bürger stellen den Staatsfunktionären auf dieser Veranstaltung Fragen zu Demokratie, freien Wahlen, Reisefreiheit und der Berechtigung der SED-Vormachtstellung. Dabei kommt es vereinzelt zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen mit Repräsentanten des Kreises.

Protestkundgebung-auf-dem-Ernst-Thaelmann-SportplatzDen Abend des 9. November 1989 verbringen zahlreiche Menschen in der Nikolaikirche. In Gedenken an die Reichsprogromnacht 61 Jahre zuvor steht das Treffen unter dem Motto „Juden und andere Verfolgte staatlicher Macht“. Zu diesem Zeitpunkt überträgt das Fernsehen der DDR live die internationale Pressekonferenz, bei der Günter Schabowski die kurzfristige Bewilligung von Reiseanträgen bekannt gibt. Als diese Nachricht in der Jüterboger Kirche ankommt, herrschen unter den Anwesenden große Freude und Erleichterung. Viele brechen noch am selben Abend auf, um nach Westberlin zu reisen. Zustimmung findet aber auch die Einstellung, die DDR nicht zu verlassen. Vielmehr wollen reformorientierte Bürgerinnen und Bürger die Gesellschaft unter dem Motto „Wir bleiben!“ zu einem lebenswerten Umfeld gestalten. Dennoch nimmt die (Aus-)Reiselust unerwartete Dimensionen an: Vom 9. bis zum 17. November werden in Jüterbog 17545 Visumsanträge gestellt.

Auch die politische Landschaft in der Stadt gestaltet sich rasch um. Bereits am 10. November formieren sich erste Oppositionsgruppen, wie das „Neue Forum“ oder „Demokratie jetzt“. Ein runder Tisch mit Vertretern der neu entstandenen Gruppierungen, der Kirchen sowie der SED-Stadtverwaltung nimmt kurze Zeit später die Arbeit auf.

NikolaikircheDas Jahr 1990 beginnt mit einer Demonstration und einer anschließenden Resolution auf dem Marktplatz gegen die Weiterfinanzierung von ehemaligen SED-Funktionären. Im Wahlzeitraum des Frühjahrs 1990 können die Jüterboger Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal echte Parteienvielfalt und Wahlkampf erleben. Die Wahlbeteiligung ist bei der Volkskammerwahl im Kreis Jüterbog sehr hoch – am 18. März 1990 geben von den 27946 Wahlberechtigten ganze 95,03 Prozent ihre Stimme ab. Zur Wahl der Kommunalvertretungen am 6. Mai 1990 gehen 80,45 Prozent.

Mit der DDR endet auch die Ära des Militärs in Jüterbog. Im November 1989 untersagt die sowjetische Kommandantur Flüge an Sonn- und Feiertagen, in den Nachtstunden sowie Tiefflüge über dem Stadtgebiet. 1994 verlässt schließlich der letzte Soldat die Region.

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