Eberswalde
    Die Revolution 1848 in Eberswalde
    Eberswalde während der Novemberrevolution
    Die friedliche Revolution 1989/90
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Die friedliche Revolution 1989/90 in Eberswalde

Bereits seit 1980 finden regelmäßig Friedensgebete in der Johanneskirche statt, ausgelöst durch die Jugendarbeit. Unter dem großen Dach der Kirche werden Themen wie Frieden, Umwelt und Erhaltung der Schöpfung sowie Gerechtigkeit diskutiert. Mit Freitagsandachten demonstrieren ab dem Spätsommer 1989 zunehmend kirchlich organisierte und oppositionelle Bürgerinnen und Bürger aus Eberswalde. Am 6. Oktober 1989 treffen sich Gleichgesinnte nach der Fürbittandacht in der Johanneskirche. Sie diskutieren über die festgefahrenen politischen Verhältnisse in der DDR und über die Bürgerrechtsinitiative „Neues Forum“, die sich am 10. September 1989 in Grünheide bei Berlin gegründet hat. Das „Neue Forum“ ist eine unabhängige Vereinigung, die mit Gewaltlosigkeit und Vernunft Demokratie in allen Lebensbereichen durchsetzen will. Der Versuch der Gründung eines „Neuen Forums“ in Eberswalde wird vom Ersten Stellvertreter für Inneres beim Rat des Kreises abgelehnt und bei einem erneuten Versuch rechtliche und polizeiliche Maßnahmen angedroht. Am 5. Oktober kommt es dennoch zur Gründung des „Neuen Forums“ in Eberswalde.

KladderadatschNach dem Gottesdienst am 13. Oktober in der Maria-Magdalenen-Kirche findet in Eberswalde die erste Demonstration von Bürgern statt, die sich mit den Verhältnissen in der DDR nicht mehr abfinden wollen. Im Kulturhaus „Rotes Finowtal“, dem heutigen Kino „Movie Magic“, wird am 28. Oktober ein Bürgerforum veranstaltet. Auf Einladung des Rates der Stadt kommt es zu einem Austausch über die aktuellen Ereignisse. Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger fordern die Entsendung von Aktivisten des „Neuen Forums“ in das Präsidium, was vom Bürgermeister abgelehnt wird. Inmitten einer explosiver werdenden Stimmung fordern die Eberswalder das Ende von Korruption und Machtmissbrauch. Der Bürgermeister versucht die Situation zu entspannen, indem er einen Dialog mit den Vertretern des „Neuen Forums“ in Aussicht stellt. Wenige Tage später macht der Bürgermeister sein Versprechen wahr und lädt die Vertreter des „Neuen Forums“ am 31. Oktober ins Rathaus ein. Als ein erstes Ergebnis dieser Gespräche erhält das „Neue Forum“ am 6. November Räumlichkeiten für öffentliche Veranstaltungen im Jugendclubhaus in Finow (heute Begegnungsstätte Bahnhof).

Während in Berlin am 9. November 1989 die Mauer fällt, wird im damaligen Kulturhaus in der ehemaligen Hans-Beimler-Straße (heute Grabowstraße) der Erste Sekretär der SED-Kreisleitung abgelöst und am gleichen Tag ein Bürgerforum zum Thema „Demokratie“ durchgeführt. Bei dieser Veranstaltung sitzen nun erstmals Vertreter des „Neuen Forums“ im Präsidium. Am 10. November versammeln sich ca. 1000 Menschen in und vor der Maria-Magdalenen-Kirche. Dabei werden die Teilnehmer vom gegenüberliegenden Museumsgebäude aus von der Staatssicherheit beobachtet, gegen den Willen der Museumsmitarbeiter. Teilnehmer dieser Andacht werden daraufhin im auf die Liste für die Stasi-Internierungs- und Isolationslager gesetzt. Dass dies noch nach der Maueröffnung geschieht, stellt einen einmaligen Vorgang dar. Der sich anschließende Schweigemarsch in Gedenken an die Opfer der staatlichen Übergriffe vom 7./8. Oktober führt direkt an der Hauptpolizeiwache vorbei, wo sich lange Schlangen von Menschen befinden, die ihren Visumstempel abholen wollen.

Groesste-Demonstration-in-Eberswalde-am-18.-November-1989Am 18. November 1989 findet die größte Demonstration der Wendezeit in Eberswalde statt. Zirka 10000 Teilnehmer marschieren von Finow aus nach Eberswalde und treffen sich auf dem ehemaligen „Rummelplatz“ (heute Rathauspassage) neben dem Rathaus. Der amtierende Sekretär der SED-Kreisleitung versucht erfolglos, zu den Demonstranten zu sprechen, die mit selbst gestalteten Bannern mit Botschaften wie „Alle Macht dem Volke und nicht nur einer Partei“ ihre Meinung kundtun. Am 5. Dezember besichtigen Bürgervertreter und ein Entsandter der Staatsanwaltschaft die Dienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit in der Villa Sonnenschein in der heutigen Breiten Straße. Ziel des Besuchs ist es, die weitere Vernichtung der Unterlagen zu verhindern. Doch die Aktenschränke sind schon so gut wie leer, zahlreiche Dokumente bereits vernichtet. Zum Erstaunen der Stasi-Mitarbeiter stellen die Menschen Kerzen auf die Mauern vor dem Haus. Zum ersten runden Tisch treffen Vertreter des Rates des Kreises und des Rates der Stadt unter der Moderation von Pfarrer Baske am 19. Dezember 1989 zusammen.

Am 10. März 1990 besucht der Ehrenvorsitzende der SPD und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt Eberswalde, um seine Partei im Wahlkampf zu unterstützen. Vor mehreren Tausend Menschen hält er eine Rede auf dem Marktplatz. Im Vorfeld müssen die Organisatoren kurzfristig eine Bühne bauen, da die Benutzung des Rathausbalkons verboten wird.

Menschenkette-in-Eberswalde-1989Mehrere Ausstellungen erinnern in diesem Jahr an die Ereignisse der Wendezeit. Die Ausstellung „Schwerter zu Pflugscharen – der gefährliche Schmied“ in der Maria-Magdalenen-Kirche erinnert vom 8. bis 18. November 2009 an die Friedensbewegung der evangelischen Kirche, während im Paul-Wunderlich-Haus die Sonderausstellung „Dichter, Denker, Potentaten – Plädoyer für Freiheit und Demokratie“ mit Werken Wunderlichs zu sehen ist. Unter dem Titel „Demokratischer Wandel – ein Labyrinth der Erinnerungen“ zeigt das Museum in der Adler-Apotheke vom 9. November 2009 bis zum 18. April 2010 die Ereignisse des gesellschaftlichen Umbruchs. Mit Zeitzeugengesprächen und Archivrecherchen arbeitete das Eberswalder Museum die jüngste Geschichte der Stadt Eberswalde und der Region auf. Mit der eingebundenen Kunstinstallation von Reinhard Zabka werden zudem Erinnerungen an den Wahlbetrug, den runden Tisch bis hin zur Wiedervereinigung lebendig.

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