Kanzelstreit zu Jüterbog - der „Lutheraner“ entsteht


Jüterbog hat an der Geschichte der Reformation mitgeschrieben. Knapp 40 Kilometer von Wittenberg entfernt, wurde hier von den Gegnern der Reformation erstmalig der Begriff „Lutheraner“ gebraucht – als Schimpfwort. Das war 1519.
Zwei Jahre zuvor hatte der Augustinermönch Dr. Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg geheftet.
Es begann eine lang andauernde Auseinandersetzung, die letztlich zu einer Trennung des Christentums in evangelische und katholische Kirche führte.
Die Kirchenführer waren unsicher, wie sie mit Luthers Ideen umzugehen hatten. Die Jüterboger Bürgerschaft dagegen, modern und zukunftsorientiert, hatte sich bereits 1519 für Martin Luther entschieden und damit für eine Reformation der Kirche.
Auf dem Jüterboger Marktplatz steht das älteste Rathaus Brandenburgs. Hier und in der nur wenige hundert Meter entfernten Nikolaikirche spielten sich Ereignisse ab, die letztlich zur Reformation führen sollten. 1517 erhielt der Dominikanermönch Johannes Tetzel, der bereits in vielen deutschen Ländern Erfahrungen als Ablassprediger gesammelt hatte, von Erzbischof Albrecht II. den Auftrag, in der Kirchenprovinz Magdeburg einen gewinnbringenden Ablasshandel zu organisieren. So traf Tetzel auch in der blühenden Handelsstadt Jüterbog ein. Wer nicht nach seinem Tod im Fegefeuer landen wollte, brauchte nur ein paar Dukaten für begangene Sünden zu zahlen. Damit war die Strafe getilgt. Ein Meineid kostete neun Dukaten, der Raub von Kirchen-eigentum die gleiche Summe. Mord war etwas günstiger zu haben – für nur acht Dukaten. Sollte man denjenigen noch gar nicht umgebracht haben, so konnten die acht Dukaten auch als Vorauszahlung geleistet werden. Die Hälfte des Geldes erhielt der Papst für den Neubau des Petersdoms, den er 1506 begonnen hatte, die andere Hälfte erhielt der hoch verschuldete Erzbischof Albrecht II., der gleichzeitig in Magdeburg, Mainz und Halberstadt regierte und zu den sieben Kurfürsten gehörte.
Luther erregte sich in Wittenberg heftig über die in der Nachbarstadt ablaufenden Geschäfte mit der Sünde. Aber auch die Jüterboger Bürger zweifelten daran, dass dies alles gottgefällig sei. Deshalb baten sie den gegen diese Praxis zu Felde ziehenden Prediger um Hilfe. Im Frühjahr des Jahres 1519 sandte Luther auf Wunsch des Rates der Stadt Jüterbog den Theologen Franz Günther nach Jüterbog. Günther gehörte zum Freundeskreis von Luther und sollte als Prediger an der Stadtkirche St. Nikolai im Sinne von Luther wirken. Günther predigte gegen die Missstände in der katholischen Kirche und geriet damit in Widerspruch zu den in Jüterbog ansässigen Franziskanern. Durch Einschreiten des Brandenburger Bischofs Hieronymus Schulze musste Günther seine Predigten ruhen lassen und wurde von Thomas Müntzer ersetzt. Thomas Müntzer hatte an der neu gegründeten Viadrina in Frankfurt (Oder) studiert und hielt in Jüterbog seine erste Predigt. Er predigte wider die kirchliche Prunksucht und forderte gesellschaftliche Reformen wie Jagd und Fischereirechte und die Abschaffung der Leibeigenschaft, damit alle, wie in der Bibel beschrieben, einfach und friedlich zusammen leben.
Zu Ostern des Jahres 1519 kam es zum so genannten „Kanzelstreit zu Jüterbog“, einem Predigtduell mit den Jüterbogern Franziskanern. Die Franziskaner verfassten auf Grund der öffentlichen Auseinandersetzung einen Beschwerdebrief an den Brandenburger Bischof. Hier fiel erstmalig der Begriff „Lutheraner“ – als Schimpfwort gegenüber Thomas Müntzer. Papst Leo X. ließ Luther exkommunizieren. Als Luther trotzdem nicht zum Widerruf bereit war, verhängte Kaiser Karl V. 1521 gegen den widerspenstigen Theologen die Reichsacht, das heißt, er durfte ungestraft ermordet werden. Von Kurfürst Friedrich III. auf der Wartburg versteckt gehalten, übersetzte er dort die Bibel in die deutsche Sprache. Thomas Müntzer wurde als geistiger Kopf des Bauernkrieges 1525 bei Frankenhausen hingerichtet.
Die Reformation war – auch wenn sie noch viele Opfer kosten sollte – nicht mehr aufzuhalten.

Impressum

Kontakt

home